BCD Uhr stört
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Die Entdeckung
Im Rahmen des Amateurfunkurses am 5.10 fand sich im Gebäude unseres Space ein Störsignal auf dem 2m Amateurfunkband. Das Signal war deutlich in unserem per Internet verfügbaren Empfänger OpenWebRX zu sehen und hören, bei einer kurzen Suche außerhalb des Gebäudes war das Signal nicht zu hören.
Das deutete auf einen lokalen Störer hin – möglicherweise gar bei uns ? Bleiben Sie dran!
Die weitere Suche…
schränkte die Quelle weiter ein – unser Flur, unser Konferenzraum… und in der Tat war der Störsender einer unserer eigenen Aufbauten, die BCD-Uhr im Konferenzraum.
Ursachenforschung
Eine Vorstellung zum Störmechanismus war schnell aufgestellt, eigentlich schon während der Suche: Der als Rechenzentrum für die Uhr verwendete ESP8266 ist ein schneller Mikrokontroller mit schneller IO. Das Steuersignal für den LED-Streifen, ein 3.3V Rechtecksignal, hat also steile Schaltflanken und wenig verrundet und lädt die Leitung mit relativ großen Strömen recht schnell auf und ab. Und es kommt immer mal wieder und macht dann wieder Pause. Das passt zum Störungsbild.
Das bedeutet Ärger…
denn ein periodisch schnell auf- und abbauendes starkes Magnetfeld um einen Leiter herum kann sich vom Leiter aus als elektromagnetische Welle auf den Weg machen. Im Falle eines Rechtecksignals enthält es jede Menge Oberwellen, genauergesagt verteilt sich die Energie auf viele Frequenzen, die ein Vielfaches der angeregten Grundfrequenz sind. Verbunden mit einer geeigneten Antenne kann diese Energie gut abgestrahlt werden, die längere Datenleitung war gewissermaßen so eine wirksame Antenne.
… wenn man nichts dagegen tut.
Jetzt hätte man die Uhr prinzipiell einstampfen können. Da wir sie aber weiter benutzen wollten galt es eine Gegenmaßnahme zu finden die den Weiterbetrieb ermöglicht, aber die Störsenderwirkung unterdrückt.
Problem visualisieren
Über einen Tastkopf wurde unser Rohde & Schwarz HMO1202 Oszilloskop an die Datenleitung angeschlossen um das schuldige Steuersignal im Zeitbereich zu sehen. Der Spektrumanalysator Hewlett-Packard 8590 wurde über eine Drahtschlaufe an Koaxkabel angekoppelt um das emittierte Spektrum zu bewundern. Außerdem lief der Funkempfang mit dem OpenWebRX mit um die Emission bei 145,16 MHz zu hören.
Problem isolieren
Abtrennen der Leitungen die als Antennen in Frage kämen erbrachten folgendes Bild: Temperatursensorleitung abtrennen keine Abschwächung, Piepserleitung auch nicht, aber die Datenleitung zum LED-String. Als sie am ESP abgelötet war war im Spektrumanalysator und bei dem Kontrollempfänger nichts mehr nachweisbar.
Gegenmaßnahmen erproben
Da die Datenleitung wieder dran muss damit die Uhr funktioniert kam erst mal die übliche Waffe gegen Funkstörungen zum Einsatz: Ein Ferritrohrkern über die erkannte böse Leitung drüber. Diese funktionieren oft sehr gut um common mode Signale zu unterdrücken. für die sie eine Impedanz darstellen. Das ist ungefähr als ob man die Leitung auftrennen und eine große Induktivität einbauen würde. Das teilt Leitungen die als Antenne fungieren in zwei kleinere Teile, wodurch die Abstrahlung niedrigerer Frequenzen verschlechtert, aber hoher Frequenzen verbessert wird. Allerdings haben Ferrit-Ring (oder Klapp-)-Kerne einen Arbeitsfrequenzbereich, oberhalb/unterhalb dessen sie nicht so wirksam sind. Das muss zum Störsignal passen! Im Gegensatz zu dem folgenden Entstörbauteil Serienwiderstand macht sich ein Ferrit nicht als Widerstand bei DC oder nennenswerte Impedanz bei niedrigen Frequenzen bemerkbar.
Serienwiderstand: Wie im vorherigen Abschnitt geschrieben war das Hauptproblem der Stromfluß, der schnell seine Größe änderte. Ohne Strom würde nix strahlen, bei konstantem Strom auch nicht, aber die LEDs erfordern ein digitales Datentelegramm zur Einstellung der RGB-Komponenten, das widerspricht sich. Die nächsten Ansatzpunkte sind die Dauer und der Betrag der Stromänderung. Würde der Strom sich langsamer ändern oder um einen geringeren Betrag stünde weniger Sendeenergie zur Verfügung.
Und womit kann man einen Stromfluß verringern? Mit einem Widerstand. Dieser darf allerdings nicht so groß sein das die Signalspannung am Eingang des LED-Controllers so stark abfällt das er HI und LO nicht mehr unterscheiden kann. So kam als erster Versuch ein Widerstand von 1 Kiloohm zum Einsatz, um sich von dort je nach Abschwächung der Störung/Unterdrückung der korrekten Funktion zu höheren oder niedrigeren Werten vorzutasten. Als Nebeneffekt sorgt dieser Widerstand nahe an der Signalquelle auch dafür, das die Leitungskapazität hinter dem Widerstand (als RC-Glied betrachtet) sich langsamer auf- und entlädt.
Der Serienwiderstand begrenzt also den Strom, damit die Sendeleistung, ist im Gegensatz zu Ferriten oft breitbandiger (je kleiner die Bauform und je mehr parallel, desto besser), setzt Teile der auf der Leitung übertragenen Energie in Wärme um und nicht in irgendeine andere, störende Form. Leitungskapazitäten können durch einen Widerstand hindurch nur langsamer aufgeladen werden. Der Widerstand kann eine Serienterminierung darstellen.
Und wie gut das klappt! Problem gelöst.
In unserem Fall war der Serienwiderstand die magische Kugel: Der Spektrumanalysator zuckte nicht mehr, zu hören war nichts mehr im Kontrollempfänger. Wir halten das Problem jetzt für gelöst und die Uhr darf weiter blinken.
Weitere Entstörmöglichkeiten
Außer den hier beschriebenen Maßnahmen gibt es noch andere Methoden wie Abschirmung und auf eine Störfrequenz abgestimmte Filter. Man kann auch tricksen und Taktfrequenzen variieren, wodurch das Störsignal “verschmiert” wird – das macht die “Spread spectrum” Einstellung im BIOS-Menü zum Beispiel. Das würde den Rahmen aber sprengen.
Im EMV-Labor
Als Inverkehrbringer von Elektronik ist man im Rahmen einer EU-Richtlinie fast immer gezwungen, elektromagnetische Verträglichkeit zu betrachten und ist auf der sicheren Seite wenn man sie durch ein unabhängiges Labor durch standardgemäße Tests nachweist. Hierzu werden getrennt zunächst Störemissionen durch die Kabel und durch die Luft gemessen, dann wird die Schaltung durch die Luft oder über die Leitungen mit Störsignalen beaufschlagt, die es einfach aushalten muss um verkehrsfähig zu sein. Insbesondere die Netzzuleitung/Netzteil muss mit einer unsauberen Versorgung klarkommen, sofern vorhanden. Der ESD-Test gehört im weiteren Sinne auch zu den beaufschlagenden Prüfungen.
Oft kann man vor der akkreditierten endgültigen Prüfung eine Entwicklungsbegleitende Prüfung machen, bei der die Probleme vorab erkannt werden – und dann mit Abschirmungen, Ferriten oder umlöten auf Schaltungsvariationen vor Ort ausprobiert wird wie man unter die Grenzwerte kommt. =)