Da ich im Space immer wieder sehe das als vermeintliche ESD-Schutzmaßnahme erst was geerdetes, dann das zu rettende Bauteil bzw. Baugruppe angefasst wird:

Das ist falsch und kann die Probleme verschlimmern.

Heizung angreifen ist in den meisten Fällen ungefähr so sinnvoll wie bei AM-Radios den Erdanschluß des Antenneneingangs in den Blumentopf zu stecken

Hier die wichtigsten Punkte:

1. Ziel des ESD-Schutz ist es, den Stromfluß ins/ aus dem Bauteil der durch Kontakt mit Gegenständen unterschiedlichen Potenials entsteht zu verhindern. Nix anders. Dabei ist das Potential der Erde, Sirius B und anderer Objekte erstmal völlig egal.
2. Das wichtigste ist ein möglichst langsamer Potentialausgleich zwischen Dir und dem Bauteil. So haben ESD-Matten einen großen Widerstand dafür.  Sollte es nicht möglich sein den “Erstkontakt” schonend, also durch einen großen Widerstand herzustellen, such wenigstens die robusteste Stelle: Steckergehäuse oder andere Massepunkte.
3. Übergabe von Person zu Person: Erst berühren sich die Personen, dann wird das Bauteil übergeben. So wird die Ladung der Personen und des Bauteils ausgeglichen. Gilt auch wenn einer der beiden am ESD-Armband hängt. Nur nicht wenn beide angebunden sind.
4. Auch Berührung mit anderen Dingen als Menschen ist schlimm, meistens sogar noch schlimmer: Extrembeispiel ist ein Bauteil das zwar in der Hand gehalten wird und deshalb kein Potentialunterschied zum Benutzer hat, aber ein (insbesondere geerdetes) Gehäuse (auf anderem Potential) berührt.
5. ESD-Entladungen zur Haut merkt man nicht immer. Ich hab was von “Spürbarkeit ab etwa 3-4 kV” in Erinnerung. Es gibt Bauteile die schon bei unter hundert Volt leiden – speziell kleine Strukturen.
6. Widerstände und Kondensatoren sind nicht immun dagegen. Verlass dich nicht drauf das Sie es so gut überstehen, auch wenn es nicht unbedingt nanometergroße Lithographieprodukte sein sollten.
7. Sommer ist toll. Im Sommer sind ESD-Probleme schwächer ausgeprägt als im Winter. Der Grund ist die Luftfeuchtigkeit die den Widerstand von Oberflächen mancher Materialien herabsetzt. Wenn möglich, halt die hoch, ich würde sogar in verzweifelten Situationen dazu raten Bauteile und ihre Umgebung anzuhauchen wenn sie mal – worst case – von einer Person auf nen Super-Isolator gelegt wurden.
8. Faultiermodus hilft: Häufig werden die Ladungen durch Triboelektrizität zwischen Kleidungsstücken oder zwischen Schuhsohle und Boden oder reibenden Teilen an Stühlen erzeugt. Langsame, sparsame Bewegungen helfen die Ladungstrennung gering zu halten.
9. Natur besser als synthetische Materialien: Holz und Baumwolle sind beispielsweise ungefährlichere Materialien als lackierte Oberflächen und Kunstfasern. Barfuß kann besser sein als alles.
10. Reibung gleicher Materialien ist weniger gefährlich als Reibung verschiedener Materialien.
11. Ja, das Stück Papier oder der Schraubendreher der auf der ESD-Matte liegt ist eine Gefahr. Arbeite sauber und ordentlich.
12. ESD ist hinterhältig wie die Strahlenkrankheit: Die Bauteile können auf 1. Blick und sogar bei intensiveren Prüfungen OK sein und Wochen oder Jahre später wegen der Schädigung ausfallen. “Living ghosts.”
13. Rosa Tüte regelt alles: Falsch. Diese sind ausgelegt selbst keine/wenig  Ladung gegenüber Ihrer Nachbarschaft aufzubauen. mit den Fingern außen an der Tüte kann man darin steckende Teile durchaus zappen. Finger sollten Abstand zum Bauteil halten, leg die Tüte auf die ESD-Arbeitsplatzmatte die sich um den langsamen Potentialausgleich kümmert, warten, auspacken.
14. Graumetallisch glänzende, leitfähige Tüte regelt alles: Falsch. Diese hat zusätzlich eine abschirmende Wirkung, es wäre also viel schwerer das Bauteil durch die Tüte zu töten. Aber die Tüte selbst kann genau der Leiter sein, der einen tödlichen Stromfluß erst ermöglicht. Aus dem Grund auch vorsichtig sein mit der Inbetriebnahme von Baugruppen denen man meint damit was gutes zu tun sie in der Tüte zu lassen: Wenn die leitfähige metallisierte Schicht an die Schaltung kommt kann magischer Rauch entstehen.
15. ESD-Matten können leitfähig sein (wie unsere schwarze), müssen es aber nicht (farbige dissipative Lage wie bei unseren nicht-schwarzen.) Leitfähigkeit kann auch bei Inbetriebnahme stören.

Grundregel: Lass die Ladungen um das Bauteil drumherumfließen statt mittendurch, Hast und Wege vermeiden. Der wichtigste Punkt ist die Hand, die das Teil hält – wenn sie den nächsten Kontakt vorher berührt ist viel gewonnen. Bleib geschmeidig, vermeide Hast.